Diskussionspapier des Freisinger Kreis

Dies ist ein Diskussionspapier über unser bäuerliches Selbstverständnis. Es geht um die Grundlagen biobäuerlicher Agrarkultur. Hiermit rufen wir die Bäuerinnen und Bauern auf, sich ihre Meinung über ihre Zukunft wieder mehr selber zu bilden.

Sepp Braun, Peter Müller, Sabine Obermaier, Sepp Ortner, Nikola Patzel, Hermann Pennwieser, Wendy Peter, Christine Pichler- Brix, Ludwig Rumetshofer, Kaspanaze Simma, Josef Wetzstein.
Die Autor(inn)en haben diese Erklärung von Februar bis Mai 2016 erarbeitet. Sie nennen sich „Freisinger Kreis“: Nach dem Ort zweier Zusammenkünfte auf dem Hof von Sepp und Irene Braun in Freising (Bayern), und wegen der Symbolik des Namens „Frei-Singer“. Sie kommen aus biobäuerlichen Kreisen in der Schweiz, Österreich und Deutschland.
Biolandbau ist eine Agrarkultur, also mehr als eine landwirtschaftliche Verfahrenslehre und ein Zertifizierungsmodell.

Biolandbau ist auch ein Prozess des ökologischen und sozialen Wandels. Er stellt auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit und Naturgerechtigkeit vor Ort und weltweit. Biolandbau erzeugt gesunde, sozial fair und gegenüber der Natur respektvoll produzierte Lebensmittel. Dies soll allen „Bio-Anbauern“ ein gutes Auskommen ermöglichen: in der Landwirtschaft, im Gartenbau, mit der Züchtung und allen verwandten Bereichen. Wir tragen Verantwortung für die Natur, die Tiere und auch gegenüber der Gesellschaft, welche zugleich aber auch Verantwortung für uns trägt. Wir können auch mit der Biolandwirtschaft nicht im jetzigen Agrarsystem weitermachen, wenn wir den Herausforderungen der Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts gerecht werden wollen. Fürsorge und Mitgefühl gegenüber den Menschen und der Natur tragen wir alle genauso in uns wie das Potenzial zu Ausbeutung und Zerstörung. Wir haben alle eine Urquelle von Ethik in uns, unabhängig davon, ob wir einer Religionsgemeinschaft angehören oder nicht. Aus diesem Bereich kamen seit der Gründerzeit immer wieder ganz wichtige Impulse zur Entwicklung des Biolandbaus. Der Biolandbau wie auch die Bewegungen für Ernährungssouveränität und Agrarökologie haben ein ökologisch und sozial gerechtes Lebensmittel- und Landwirtschaftsmodell als Kernanliegen und das verbindet uns.

1. Systemwechsel und Umkehr beim „Strukturwandel“

Biobäuerliches Wirtschaften im 21. Jahrhundert braucht ein agrarpolitisches System, das unsere Prinzipien respektiert und die Realisierung unserer Wirtschaftsweise abseits einer globalisierten Konkurrenzökonomie ermöglicht. Für uns ist es keine Option, auf die gewaltigen Probleme der globalisierten Konkurrenzökonomie und der forteilenden technischen Innovation mit noch mehr Rationalisierung und noch rasenderem Techno- Fortschritt zu reagieren. Gegenwärtig sind wir Biobäuerinnen, -bauern und Gärtner/-innen sehr in unserer Freiheit eingeschränkt. Das liegt vor allem am gewaltigen Druck des industriellen Paradigmas und der Konkurrenz-Ideologie globaler Märkte. Zudem sind wir einer Menge gesellschaftlicher Ansprüche ausgesetzt, die zueinander widersprüchlich sind. Als Bäuerinnen und Bauern haben wir keine Angst vor natürlichen Absterbe-Prozessen als Teil der Lebenskreisläufe. Es wäre wohl in einigen Bereichen eine Rückführung auf ein menschliches Mass angesagt. „Wachsen oder Weichen“ war das Credo der Agrarpolitik der letzten 50 Jahre und führte zu einem Fortschreiten der Industrialisierung der Landwirtschaft. Diese hat nicht zur Überwindung der Hungerkrise beigetragen, sondern diese vielmehr verschärft. Bäuerliche Landwirtschaft ist für uns nicht eine Frage der Grösse, sondern der Form und Qualität der Bewirtschaftung. Biobäuerliche Landnutzungssysteme finden je nach Betriebstyp, regionalem Kontext, naturräumlicher und soziokultureller Situation ihre optimale Grösse selber. Eine Wirkung unserer Wirtschaftsordnung ist, die Menschen aus der Landwirtschaft wegzurationalisieren. In den letzten 10 Jahren sank die Anzahl der Höfe in Europa um 25%. Dadurch gehen dörfliche soziale Strukturen, Multifunktionalität der Landwirtschaft und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen verloren. Deshalb braucht es erstmal zum Ausgleich eine Gegenbewegung, im Klartext: „Das Land braucht mehr Bäuerinnen und Bauern!“ Auch wieder mehr landwirtschaftsnahe Handwerker, Verarbeiter und Händler. Wir wollen mehr Menschen, also mehr Hände, Herzen und Hirne pro Hektar. Gute Landbewirtschaftung trägt vielfältige Potenziale zum guten Leben und zum entsprechenden sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft in sich. Die Weiterentwicklung des Biolandbaus und der Landwirtschaft in ihrer Gesamtheit braucht die Gestaltung eines grundlegend geänderten Systems. Diese Änderung hat auch wirtschaftsstrukturelle und kulturelle Seiten.

2. Grundsätze unserer biobäuerlichen Arbeit

Die Natur ist unsere grosse Lehrmeisterin! Sie zeigt uns mit ihrer Lebens- und Wirtschaftskunst täglich, wie der Kreislauf der Lebenskräfte effizient und wiederherstellungsgerecht stattfindet. Durch möglichst geringe Eingriffstiefe wollen wir den Eigenwert und das Wesen ebenso wie die Schönheit allen Lebens achten. Als landwirtschaftlich und gärtnerisch arbeitende Menschen suchen und finden wir vertrauensvoll die Partnerschaft mit der Natur. In der Lebensvielfalt der Agroökosysteme und in unserer persönlichen Arbeit und Aufmerksamkeit sehen wir den besten Weg für eine langfristig erhaltene Bodenfruchtbarkeit und für hohe Gesamterträge. Deshalb führt beste kleinflächige Land- und Gartenwirtschaft zu überlegener Produktivität. – Technologien wie Gentechnik (einschliesslich der neuen CRISPR/CAS-Methoden) sind für uns keine Option. Wir halten diese zutiefst eingreifenden Manipulationen für überflüssig und nicht vereinbar mit unserem respektvollen und vorsichtigen Umgang mit der Natur.

Einen besonderen Stellenwert hat für uns die Mensch-Tier-Beziehung. Deshalb wollen wir unsere Tiere entsprechend ihrer Bedürfnisse und ihrer Würde gut behandeln: von ihrer Zeugung bis zu ihrem Tod (Schlachtung). Die Achtung vor dem Tier zeigt uns die nötigen Grenzen zum radikalen Eigennutz-Ansatz, der das Tier nur als einen ‚Produktionsfaktor‘ oder ein ‚Produkt‘ ansieht und entsprechend dann von ‚Tierproduktion‘ spricht. Deshalb möchten wir nicht nur unsere Art des Umgangs mit den Tieren hinterfragen, sondern auch, wie viele Tiere auf einmal wir anständig halten können. Wir finden es unethisch, einen hohen Fleischkonsum u.a. durch Naturzerstörung und Bauernvertreibung in südlichen Ländern zu erkaufen.

Lebenskreisläufe sind es, aus denen Landwirtschaft ihren realen Ertrag gewinnt. Deren Erhaltung und somit die stetige natürliche Wiederherstellung von Lebenskraft ist unser Grundprinzip. So kann in produktiven Symbiosen natürliche Bodenfruchtbarkeit erhalten und dauerhaft ein guter Gesamtertrag gewonnen werden. Zur Systemsicht der Landwirtschaft müssen auch wieder die Stoffflüsse in die Haushalte gehören – und die Möglichkeit der Wiedergewinnung von Nährstoffen. Das Denken in Kreisläufen – statt nur zielgerichtet Einzelerträge zu optimieren – weist auch dem Ackerbau einen Weg, mehr gärtnerisch und vielleicht sogar waldgärtnerisch zu denken. Wir dürfen auch klassische Strukturen infrage stellen und wollen dann neue finden. Dies alles braucht eine ausreichende Überschaubarkeit und Zuwendung, um ein Gefühl für den Boden und die Lebenszusammenhänge zu behalten. Bei Problemen wollen wir Symptome nur im Notfall eindimensional bekämpfen. Unsere Methode ist, auch komplexe Zusammenhänge zu beobachten oder zu spüren, damit wir ganzheitlicher auf diese reagieren können. Wir verstehen uns als Teil und nicht als Herrscher der Natur. Wir wollen Agroökosysteme mitgestalten, aber wir müssen dabei nicht alles Wesentliche zwanghaft im Griff haben und immer „die Natur verbessern“ wollen.

Biolandbau bedeutet für uns auch, die Landbewirtschaftung wieder konsequent in eine solare Kreislaufwirtschaft umzubauen. Immer, wenn die Sonne während der Vegetationsperiode scheint, sollen grüne Pflanzen auf dem Acker stehen, die die Sonnenenergie speichern. Wir wirtschaften nach dem Vorbild der Natur und entwickeln die Landwirtschaft über die ökologische Beschränktheit der Monokulturen hinaus zu einer vielfältigen Landwirtschaft. Sonnenenergienutzung über Pflanzen kann auch durch lokale Solartechnik und andere natürliche Energiegewinnung ergänzt werden. Gute Landbewirtschaftung verbindet einfühlsam die Vielfalt agrikultureller Zugänge mit dem natürlichen Kreislauf der Lebenskräfte. Sie setzt die erneuerbaren Energien aus Sonne, Wasser, Bodenleben, Pflanzen, Tieren und menschlicher Arbeit und Aufmerksamkeit ein, um daraus Lebensmittel im weitesten Sinn herzustellen. Unser natürlicher Reichtum an diesen landwirtschaftlichen Lebenskräften ermöglicht es uns, den Fremdstoffeintrag und Bodenschätzeverbrauch deutlich zu verringern. Damit wird Landwirtschaft vom Verbraucher von Fremdenergie und Hilfsmitteln zu einem Sonnenenergiegewinner, der ganz von erneuerbaren Energien lebt, und zum orientierungsstarken Vorbild für andere Wirtschaftszweige. Es kann auch ohne das klimaschädliche Öl gehen. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, unsere Vision ernst und setzen verstärkt auf erneuerbare Energiequellen. Dies braucht eine für nachhaltige Energiewirtschaft geeignete Landwirtschaftsstruktur und -technik.

Lebensmittelqualität darf anders und tiefer als heute üblich verstanden werden. Qualität bedeutet für uns mehr als die messbaren Eigenschaften des ‚Endprodukts‘: Wenn wir vom Boden leben, dann spielen dessen Eigenschaften natürlich für unsere Ernährung und Gesundheit eine Rolle. Die Nahrungskette ist mehr als das Durchreichen von Kilojoule oder Zucker und Stickstoff, denn hier werden auch komplexe Nährstoffe und Molekülstrukturen weitergegeben. Es werden nicht nur einfache Elemente, sondern auch grosse organische Verbindungen bis hin zu RNA-Stücken (das sind Erbgut-steuernde Eiweisse) durch die Nahrungskette hindurch vermittelt. Zum Beispiel ändert sich in Pflanzen die Tätigkeit ihrer Gene aufgrund aus dem Boden aufgenommener RNA. Diese sogenannte Epigenetik gehört zur Selbstregulation der Natur und diese wollen wir fördern. Es ist weder nötig noch zielführend, mit technischer Genmanipulation hier einzugreifen. Lebensmittelqualität schliesst die Herkunft und Vorgeschichte unserer Lebensmittel mit ein!

Zu einer biobäuerlichen Agrarkultur im 21. Jahrhundert gehört auch eine veränderte landwirtschaftliche Ausbildung. Lehrlinge und Studierende der Landwirtschaft sollten mehr dazu angeregt werden, sich während ihrer Ausbildung auch offen mit ihrem bäuerlichen Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Wir sind überzeugt, dass der Biolandbau eine klare Alternative zur gängigen „Wachsen-oder- Weichen“-Ideologie ist. Wichtig für die Ausbildung ist auch, eine geübte und sensible direkte Wahrnehmung des Bodens, der Pflanzen und Tiere zu entwickeln, nicht nur Wissen über Maschinen und Rentabilitätsrechnungen zu vermitteln. Der bäuerlich biologische Landbau im 21. Jahrhundert braucht auch weiterführende Forschungskooperationen. Wir wollen mit den Fakultäten auf Augenhöhe zusammenarbeiten und zwar bereits bei der Auswahl von Forschungsfragen und der zu diesen und zur realen Natur passenden Forschungsmethoden, z.B. auf den Höfen.

3. Wirtschaft(en) ist eine soziale Aktivität

Neue Formen des Wirtschaftens müssen entwickelt werden, denn die bisherige verursacht einschneidende Schäden in allen Lebensbereichen. Es kann z.B. nicht sein, dass durch unsere Formen von Landwirtschaft und Konsum Menschen in anderen Regionen dieser Welt die Existenzgrundlage entzogen wird. Die agrarpolitische Förderung muss mehr auf regionale Wirtschaftskreisläufe ausgerichtet werden, anstatt auf Anpassung an den anonymen Weltmarkt. Hiermit verbunden sehen wir die Bedeutung örtlicher Gemeinschaften. Solidarität zwischen und Solidarisierung mit Bauern und Bäuerinnen weltweit ist uns wichtig. Dem Einzelkämpfertum der Höfe und der Konkurrenz der Agrarwirtschaftsräume darf nicht weiter Vorschub geleistet werden. Wir wollen auch unsere bäuerliche Selbstorganisation einschliesslich der Verbandsstrukturen weiterentwickeln. Auch naheliegende Verarbeiter, Händler und Handwerker sollen wieder gefördert und regionale Netzwerke aufgebaut werden. – Die Realisierung dieses Zieles auch mithilfe einer stark veränderten Agrar- und Wirtschaftspolitik könnte viele neue und interessante Arbeits- und Lebensplätze, insbesondere auch für jüngere Leute, eröffnen. Die Selbstausbeutung hat zum Teil unter den Biobauern und Biobäuerinnen, im Bio-Gartenbau usw. besorgniserregende Ausmasse angenommen. Die biobäuerliche Landwirtschaft ist auch offen für neue Formen wie CSA (solidarische oder Vertragslandwirtschaft) und ausserfamiliäre Hofübergabe.

Handel und ‚Markt‘ sind im Prinzip sehr wichtige Partner der Bäuerinnen und Bauern. Allerdings herrscht zurzeit noch allzu oft aufgrund systemarer Zwänge des Marktes ein ungerechtes und schädliches Machtgefälle zwischen den handelnden Akteuren. Dem wollen wir mit einer engen Partnerschaft von Handel und Verarbeitung mit den Erzeugern begegnen. Deshalb braucht es eine Neudefinition, ja eine Neuverhandlung dieser Partnerschaft auf Augenhöhe unter Einbindung aller Akteure: Bauernschaft, Handwerk, Handel und der jeweils örtlichen Bevölkerung. Demokratiekompatible Wirtschaftsstrukturen sind wichtig. Im Ernährungsbereich sollte nicht die Profitmaximierung privatwirtschaftlicher oder staatlicher Akteure das oberste Ziel sein. Stattdessen sehen wir es als gesellschaftliche wie auch privatwirtschaftliche Aufgabe an, gesunde, qualitativ hochwertige und leistbare Lebensmittel weltweit jeweils aus möglichst naheliegender Quelle zur Verfügung zu stellen. Und gleichzeitig der bäuerlichen Bevölkerung, dem Handwerk und Handel ein „Einkommen zum Auskommen“ zu ermöglichen. Viele Formen der Direktvermarktung, der solidarischen Landwirtschaft und genossenschaftlichen Kooperation von Erzeugern und Verbrauchern sind für die Weiterentwicklung des Biolandbaus hilfreich. Im Vordergrund stehen für uns die regionalen Wirtschaftskreisläufe; der weltweite Handel kann diese ergänzen. Nicht zuletzt im Angesicht der Klimakrise müssen bzw. sollen Transportkilometer und Fernversorgung weniger werden. Für eine neue Partnerschaft biobäuerlicher Erzeugung mit der Agrarwirtschaft und Gesamtwirtschaftsordnung verschiedener Ebenen benötigen wir klare Rahmenbedingungen, Regulierungsmechanismen, Förder- und Anreizsysteme. Von sogenannten „Freihandelsabkommen“ wie TTIP, TPP, CETA oder diversen bilateralen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) muss Abstand genommen werden. Diese führten durch angeheizten Wettbewerb und industrielle Logik zu Verdrängungsprozessen und somit langfristig zum Niedergang (bio)bäuerlicher Landwirtschaft.

Wesentlich sind für uns Solidarität und globale Gerechtigkeit als gelebte Werte weltweiter Wirtschaftsordnung, um unserem Machttrieb soziale Grenzen zu setzen und der fortschreitenden Zerstörung unserer Mitwelt Einhalt zu gebieten. Gewaltige Ungleichverteilung von Kapital, Landbesitz sowie Land- und Wasserzugang haben die soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit global verschlimmert und sind dadurch mitverantwortlich für Hunger und Armut. Die verschiedenen Ausprägungen von Land Grabbing verschärfen diese soziale Ungleichheit weltweit. Deswegen muss die Aneignung fruchtbaren Landes in den Ländern des globalen Südens wie auch die zunehmende Landkonzentration in den Händen weniger in unseren Breiten gestoppt werden! Kleinräumige, biologische Landwirtschaft mit geringem Kapitaleinsatz produziert einen deutlich höheren Nährwert pro Hektar als industrielle Landwirtschaftsformen. Daher sind Landreformen und ein gerechter Zugang zu Wasser, Kapital und Handwerkszeug wesentliche Instrumente für die Ursachenbekämpfung von Hunger und Armut. Wir halten auch die zunehmende Anwendung von im Norden definierten Label-Standards auf „Produzenten“ im Süden für zwiespältig. Es besteht dort neben ganz vielen positiven ökologischen und sozialen Entwicklungen auch die Gefahr, dass die Zusatzwertschöpfung wieder vor allem im Norden bleibt, der Marktzugang an teure Zertifizierungen geknüpft wird und lokale Märkte ausgeblutet werden. Deswegen sind fairer Handel und biologischer Landbau für uns untrennbar miteinander verbunden. Die Finanzialisierung alles Lebendigen ist ein tragischer Irrweg. Anstatt den Wettbewerb und die Konkurrenz zur obersten Maxime zu erheben, soll Solidarität und ein „gutes Leben für alle“ in den Vordergrund rücken. Zahlreiche Einzelforderungen zum Umbau der Wirtschaftsstruktur ergeben sich aus unseren Grundwerten. Es gibt viele gemeinsame Bedürfnisse der Menschen auch trotz ihrer unterschiedlichen Kulturen.

4. Resümee

Unsere Einstellung, die uns Orientierung gibt, ist: Wir respektieren die Würde der Kreatur, auch unserer domestizierten Pflanzen und Tiere. Wir bewundern die Kreativität und Selbsterhaltungsfähigkeit der Ökosysteme, auch derer, die wir nutzen. Wir widerstehen dem Macht-Wunsch, das Leben neu zu konstruieren oder es programmieren zu wollen, als seien die Lebewesen Maschinen oder Computer. Wir fühlen uns als Teil der Natur, getragen im Fluss des Lebens. Wir setzen unsere Intelligenz und Beziehungsfähigkeit, unseren Forschungs- und Entwicklungsdrang für ein liebevoll tragfähiges Zusammenleben mit der Natur ein, deren bewusstester Teil wir sind. Wir suchen Antworten und Wege im Dialog mit der Natur, die unendlich viel mehr weiss als alle Bauern, Wissenschaftlerinnen und Smartphone-Apps zusammen.

Unsere Forderungen zusammengefasst:

  • Die Natur ist die grosse Lehrerin unserer agrarkulturellen Entwicklung.
  • Die gegenwärtige Bauernvertreibung vom Land (durch strukturelle Gewalt) muss gestoppt werden. Das Land und unsere Agrarkultur brauchen wieder mehr Menschen.
  • Unsere biobäuerliche Wirtschaftsweise muss an die Erneuerbarkeit der Lebenskräfte, die Würde der Kreatur und eine solare Energiewirtschaft angepasst sein.
  • Wir wollen die gesellschaftlichen Vorstellungen von Lebensmittelqualität ganzheitlicher weiterentwickeln.
  • In der Lehre und Forschung ist der biobäuerlichen Landwirtschaft der Vorzug gegenüber der industriellen zu geben.
  • Neue, tragfähig faire Geschäftsbeziehungen mit Händlern, Verarbeitern und Käufern müssen gefunden werden.
  • Wir sind für Ernährungssouveränität als wesentlichem Beitrag für globale Gerechtigkeit.

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